Es gibt Handlungsbedarf - 6 Schritte zu mehr Geschlechter-Gerechtigkeit.
Die IT braucht mehr Geschlechter-Gerechtigkeit. Die wichtigsten 6 Schritte für mehr Gender-Fairness von IT-Expertinnen und Role Models: u.a. Nadine Felicioni – Full Stack Applikations-Entwicklerin bei Zürcher Kantonalbank, Sabrina Mai – Projektmanagerin für digitale Projekte bei Verbund, Denise Baidinger – Manager IT-Strategy Data Governance bei Deutsche Bahn, Daniela Graussam – Head of Corporate Application Management bei Soravia, Vanessa Tudor – Senior Projekt Manager & SCRUM MASTER bei Palfinger AG, Dr. Annette Hamann – CIO bei Beiersdorf, Ilona Simpson – CIO EMEA bei Netskope, Melanie Fichtner – Leitung Operations IT bei BayWa IT, Laura Hauser – CTO bei der Österreichischen Kontrollbank CSD GmbH uvm.
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1. Wer die Qualitäten von Diversität erkennt, braucht nur noch den Willen, um sie zu nutzen 🎯
„Grundsätzlich will man durch Diversity neue Perspektiven, neue Ideen, mehr Kreativität, Anpassungsfähigkeit und mehr Resilienz in der Organisation gewinnen. Diese Vorteile sind sehr verlockend, können sich aber nicht so einfach aus der Diversität alleine ergeben, sonst hätten wir wahrscheinlich nur mehr Diversität überall. Es gehört viel mehr dazu – die passende Unternehmenskultur, ein Kommittent zur Inklusivität und zum Lernen, Chancengleichheit, objektive Entscheidungsprozesse, um nur ein paar der Aspekte zu nennen. Das Erreichen von Diversity in Zahlen wäre nur der erste Schritt und wahrscheinlich noch der einfachste. Um auch die Früchte davon zu ernten, wird bestimmt ein bisschen anstrengender, weil es von jedem verlangt, seine oder ihre Komfortzone öfter zu verlassen. Ohne richtige Rahmenbedingungen und ohne starkes Leadership schafft Vielfalt tendenziell mehr Konfliktpotenzial und Fluktuation als Nutzen. So gesehen, wenn es die Unternehmer mit der Diversity nicht ernst meinen, sollten sie diesen Trend vielleicht lieber auslassen.“
- Laura Hauser, CTO bei der Österreichischen Kontrollbank CSD GmbH
Diversität hat viele Vorteile. Diese gilt es herauszuarbeiten und sichtbar zu machen. Wer sich den möglichen Gewinn vor Augen führt, wird intern überzeugen.
„Auf Unternehmensseite ist es wichtig, den Wert diverser Teams zu erkennen und zu schätzen. Es ist ja nicht das Ziel, Frauen und Männer in einen Wettbewerb zu stellen, sondern die verschiedenen individuellen Potenziale und Stärken zielgerichtet einzusetzen und auszuschöpfen. Das gilt dann genauso für verschiedene Generationen, Ethnien, Weltanschauungen, etc.“
- Prof. Dr. Katja Nettesheim, CEO bei Culcha
2. Klassische Rollenbilder gilt es abzubauen 👩🔧👨👦
Jeder auf die eigene Art, was immer Männer und Frauen im privaten oder beruflichen Kontext leben wollen, sollte möglich sein. Oft hindern uns einerseits die eingefahrenen Rollenbilder oder auch die Rahmenbedingungen daran.
„Gesellschaftlicher Handlungsbedarf besteht darin, klare Rollenzuschreibungen und Stereotype aufzubrechen, was von Männern und Frauen im privaten und beruflichen Umfeld erwartet wird. Dabei geht es nicht darum, dass auf einmal alle einen anderen Weg einschlagen, sondern dass jede und jeder Wahlmöglichkeiten nach den persönlichen Präferenzen erhält. Manche Männer möchten eine grössere Rolle in der Kinderbetreuung spielen, manche Frauen möchten Karriere machen oder umgekehrt – sie alle sollten die Möglichkeit dazu haben. Dazu ist es auch nötig, dass weibliche wie männliche Role Models noch sichtbarer werden.“
- Lisa Cichocki, Co-Founder, The STEM fatale Initiative
Mädchen spielen mit Puppen, Burschen mit Autos. Das ist das gewöhnliche Bild, was bei vielen Menschen noch immer im Kopf aufscheint. So gestalten sich dann Geschenke, Freizeitaktivitäten und die Leselektüre für Kinder und Jugendliche. So entstehen schon die ersten „analogen Echokammern”, in die die junge Generation gedrängt wird.
„Ich möchte jetzt nicht mit Barbies und Lego kommen, aber letztlich geht es gesellschaftlich natürlich auch darum, Geschlechterrollen aufzubrechen und Mädchen früher für Technik, die Übernahme von Risiko und das Gestalten ihres eigenen Weges zu begeistern. Eine Selbstverständlichkeit zu entwickeln. Das sehe ich als Aufgabe der Eltern, der Schulen aber auch der Spielzeug- und Kinderbuchindustrie. Zu früh werden Mädchen aus allen Richtungen dazu angehalten, „to please“ – also sich anzupassen und gefällig zu sein. Daraus werden dann keine innovativen Entwicklerinnen oder visionäre CEOs!“
Prof. Dr. Katja Nettesheim, CEO bei Culcha
Welche Rolle hat die Spielzeugindustrie in der gesamten Diversitätsdiskussion? Kinder erfahren in ihren ersten Lebensjahren die Welt sehr spielerisch. Meist stehen ihnen zu Hause oder auch in den Kindereinrichtungen viele Materialien zur Verfügung. Je diverser diese sind, umso mehr können sie selbstständig ausprobieren. Kinder beobachten viel. Wenn die wichtigsten Bezugspersonen klassische Rollenbilder leben und lehren, dann wird es schwer, diesen nicht zu verfallen.
„Jemehr wir es schaffen, alte Klischees und Rollenbilder aus den Köpfen der Gesellschaft zu verdrängen, desto schneller wird sich die Situation verändern. Allerdings beginnt die Sozialisation heute schon sehr früh: Mädchen werden im Kindergarten in die Puppen-Ecke und zur Spielküche geschickt, Buben dürfen Eisenbahn spielen und gehen in die Bau-Ecke. Auch die Spielzeugindustrie vermittelt dieses alte Rollendenken mit Buben- und Mädchen-Spielzeug. Buben erhalten Werkzeugkoffer und Technik-Baukästen, Mädchen Bastel- und Schminksets. Hinzu kommt zu wenig Wissen über IT-Berufe. Es ist leichter, Mädchen eine Ausbildung als Friseurin, Verkäuferin oder Sekretärin zu empfehlen – das sind altbekannte traditionelle Berufe, das machen Mamas und Tanten. Viel schwieriger ist es, einer Schülerin den Beruf einer Software-Entwicklerin oder eines IT-Consultants schmackhaft zu machen. Und solange es Lehrerinnen gibt, die noch immer ihren Schülerinnen und Schülern sagen: „Alles mit dem Computer, das macht mir eh mein Mann“, fährt der Klischeezug munter weiter voran.“
- Christine Wahlmüller-Schiller, AIT Center for Technology Experience Marketing & Communications Lead, Initiatorin WOMENinICT
Wie stark beeinflusst Kinderliteratur ausgeprägtes Rollenverhalten? Leider bedienen viele der Bücher noch immer die klassischen Klischees und sind weit ab von der Realität.
„Das beginnt schon bei Kinderbüchern! Ich lebe in einer Patchworkfamilie und bin bereits zweifache Oma. Ich wünsche mir Kinderbuchautoren, bei denen der Physiker ein Mädchen ist oder der Polizist eine Frau oder die Mutter arbeiten geht, während Papa den Haushalt schmeisst.“
- Ulrike Meyer, Geschäftsführer bei Willenbrock Fördertechnik
Auch wenn die grossen IT-Firmen als sehr innovativ wahrgenommen werden, das Bild eines typischen IT-Mitarbeiters hat sich kaum geändert. Dabei ist IT so vielfältig und die Aufgabenbereiche so interessant wie innovativ. Die allerwenigsten sitzen vertieft in Codes und Programmierzeilen im stillen, dunklen Kämmerchen.
„Es ist leider nach wie vor ein weiter gesellschaftlicher Weg, damit selbstverständlich wird, was längst selbstverständlich sein sollte: IT-Jobs sind keine Schwerarbeiter-Jobs oder nur etwas für Männer. Frauen können alle IT-Jobs genauso gut wie Männer ausüben – sofern sie das wollen und anstreben. Corona hat zwar einen Schub in Richtung mehr Awareness für Informationstechnologie ausgelöst, aber es braucht noch viel mehr an Information und Aufklärung bei Lehrern, Bildungsberatern und Eltern: Auch Mädchen können im Bereich IT und Telekommunikation eine Ausbildung machen. IT hat nichts mit Nerds zu tun, die ihre Zeit nur am Computer verbringen, sondern ist eine sehr kreative, kommunikative und gestaltende Branche.“
- Christine Wahlmüller-Schiller, AIT Center for Technology Experience Marketing & Communications Lead, Initiatorin WOMENinICT
Wir sehen, in welchen Lebensbereichen die IT schon Einzug gehalten hat und wo die Reise hingeht. Es ist ganz wichtig, dass Frauen hier mitwirken und ihre Expertise einbringen. Es braucht einen offenen Zugang und eine sprachlich und bildlich gute Bewerbung der IT-Ausbildungen, sodass sich auch Frauen angesprochen fühlen. Unternehmen sind hier ebenso gefordert, das Berufsbild divers zu beschreiben und richtige Rahmenbedingungen zu schaffen, die Frauen ansprechen.
„Wir müssen dieses klischeehafte Bild vom Männerberuf loswerden und die Informatik attraktiver sowie gesellschaftsfähiger gestalten. Dafür müssen die Berührungsängste mit diesem Fach abgebaut werden, die Fachkarriere einen höheren Stellenwert bekommen und bereits früh in der Schule vermittelt werden. Als 1868 Marie Vögtlin sich als erste Schweizerin entschied Medizin zu studieren, war dies ein schweizweiter Skandal. Heute sind mehr als die Hälfte der Medizinstudierenden Frauen. Hoffentlich braucht es nicht so lange für einen Wandel im IT-Bereich. Um mehr Frauen in der IT-Branche beschäftigen zu können, benötigt es auch Unterstützung der Unternehmen, um Job und Familie einfacher unter einem Hut zu bringen. Meiner Meinung nach müssten mehr Teilzeitstellen ausgeschrieben und flexible Arbeitszeiten sowie mehr Home-Office für Väter und Mütter angeboten werden. Ich bin hierbei zuversichtlich. Gerade diese Woche hat die Geschäftsleitung der Zürcher Kantonalbank die Advance Diversity Charter unterzeichnet. Wir verpflichten uns damit, die Geschlechtervielfalt, insbesondere den Aufstieg der Frauen in leitende Positionen, zu fördern.“
- Nadine Felicioni, Full Stack Applikations-Entwicklerin bei Zürcher Kantonalbank
Es wurde in den letzten Jahren schon einiges getan, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu gewährleisten. Das gilt es auszubauen und gesellschaftsfähig zu machen vor allem ohne finanzielle Rückschläge. Wenn Familien beispielsweise die Kinderbetreuung zwischen den Eltern aufteilen wollen, dann sollte das ohne Probleme in allen Unternehmen möglich sein.
„Ich persönlich bin beispielsweise nicht davon überzeugt, dass etwa Frauenquoten tatsächlich die intendierte Gleichberechtigung bringen, da damit Frauen wieder die Chance genommen wird, sich mit ihrem tatsächlichen Können zu beweisen. Viel eher bekommt man damit das Bild vermittelt, dass Frauen sich in Konkurrenz weniger durchsetzen können und damit geschützt werden müssen, was absolut nicht der Wahrheit entspricht. Betriebliche Initiativen wie unser „VERBUND Gender Balance Netzwerk“, welches als lokale Anlaufstelle bei Fragen zu Gleichstellung und Diversität dient und Unterstützung und Beratung bei der Umsetzung von Vorhaben zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf bietet, sind durchaus sinnvoll, doch muss das viel mehr gesellschaftlich thematisiert werden. Ich glaube, dass wir unabhängig vom Betrieb soweit kommen sollten, dass auch Männer in Bezug auf Familien- und Erziehungsarbeit einen ähnlichen Anteil leisten (können). Wenn das einmal wirklich flächendeckend angeboten und genutzt wird, dann würde man einige Probleme, die in unserer Gesellschaft noch existieren, lösen. Das würde zur Gleichberechtigung wesentlich mehr beitragen als andere Versuche, die häufig angestellt werden.“
- Sabrina Mai, Projektmanagerin für digitale Projekte bei Verbund
3. Digitale Talente bei der jungen Generation schon früh fördern 💡
Wir sprechen von der Digitalen Transformation, erwähnen in allen Medien die Bedeutung der Digitalisierung und fördern die unterschiedlichsten Initiativen dazu in den Unternehmen. Doch was ist mit dem Schulsystem? Sollten nicht von dort die Talente kommen, die diesen Trend weiterentwickeln und ausbauen?
„Die grössten Handlungsfelder sehe ich in der Talentförderung! Diese beginnt bei unseren Kleinsten, spätestens ab der Schulzeit! Leider richtet sich das aktuelle Schulsystem nicht danach, jeden Menschen als Talent mit unterschiedlichen Stärken und Fähigkeiten zu betrachten. Unsere Aufgabe besteht darin mit Schulpatenschaften aktive Verantwortung zu übernehmen. Wir können Vorbilder für Schüler sein, müssen dafür aber auch in aktive Dialoge treten und praktische Erfahrungen in den Unterricht einbringen. Dadurch können junge Menschen sich mit ihren Stärken entdecken und ganz neue, grosse Schritte gehen, um sich mit Selbstvertrauen innerhalb der Wirtschaft zu entfalten.“
- Denise Baidinger, Manager IT-Strategy: Data Governance bei Deutsche Bahn
Sind die Ausstattungen und die Bildungspläne in unseren Schulen zeitgemäss, um der zunehmenden Digitalisierung gerecht zu werden? Gerade die letzten Monate haben gezeigt, dass da eine Menge Nachholbedarf besteht.
„In unseren Lehrplänen sollte die Digitalisierung stärker Einzug finden, um hier bereits möglichst früh das Interesse zu wecken und Angst zu nehmen. Dazu ist es auch nötig, die unbewussten Vorurteile, die wir haben, aufzubrechen.“
- Daniela Graussam, Head of Corporate Application Management bei Soravia
Welchen Beitrag können Unternehmen leisten, um die digitale Bildung bei Mädchen und Burschen in den Schulen zu fördern? Hier liegt ein riesiges Potential, das derzeit noch nicht annähernd ausgeschöpft wird. Eltern, die offen sind, lassen ihre Kinder verschiedenste Erfahrungen sammeln, ohne sie in klassische Rollenbilder zu pressen. Das fördert neugieriges Ausprobieren und das Entdecken versteckter Talente.
„Ich bin davon überzeugt, dass Unternehmen sich noch viel stärker engagieren müssen, dass wir gute digitale Bildung zu den Kindern bekommen, und dass sie auch Frauen grössere Sichtbarkeit geben sollten. Gesellschaftlich halte ich es für absolut notwendig, dass wir als Eltern, und hier speziell auch wir Mütter, unserer Vorbildfunktion einfach gerechter werden und die Mädchen in die Bereiche einbeziehen und ihnen Mut machen, es einfach auszuprobieren. Dazu gehört auch, eine neue Fehlerkultur zu etablieren, denn dann kommen wir einen grossen Schritt weiter.“
- Dr. Julia Freudenberg, CEO bei Hacker School
Mutig sein, die eigenen Stärken erkennen und mit Selbstvertrauen neue Wege einschlagen, das können Eltern bei ihren Kindern und im Besonderen bei ihren Töchtern anregen. Damit ist alles möglich, auch eine Karriere in der IT.
„Ich hatte eine Vorliebe für Technik und wusste immer was ich draufhabe. Aus meiner Sicht sollen Frauen proaktiv Initiative ergreifen für ihr Können und was sie alles erreichen möchten. Auch hier denke ich wieder, dass Eltern eine grosse Funktion haben, ihre Kinder dabei zu unterstützen an sich zu glauben und das Talent sehen und dieses bereits im Kindesalter zu fördern.“
- Vanessa Tudor, Senior Projekt Manager & SCRUM MASTER bei Palfinger AG
Was macht ein SCRUM MASTER? Hier lesen.
Malen wir doch ein realistisches Bild der vielfältigen IT-Berufe in ihrer ganzen Buntheit. Dann wirken die kryptischen Job-Bezeichnungen nicht mehr so abstrakt.
„Technik ist aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Daher fällt es mir schwer, zu verstehen, warum sich trotzdem immer noch hauptsächlich Männer für einen Beruf in der IT entscheiden. Wir alle verwenden ständig technischen Geräte wie Smartphones, Tablets, Laptops usw. Dennoch scheint der Berufseinstieg in diese Branche für viele undenkbar. Ich glaube daher, man sollte sich in erster Linie darauf fokussieren, jungen Menschen die Angst vor technischen Inhalten zu nehmen. Darüber hinaus wissen vielleicht auch einige nicht, wie unterschiedlich Berufe in der IT sein können. Hinter den Jobbezeichnungen von Entwickler: innen, System Admins, Projektmanager: innen, Architekt: innen, IT Security Expert:innen usw. verstecken sich vielfältige IT Jobs. Für fast alle Interessen ist etwas dabei.“
- Anna Berger, Workday
Lehrerinnen und Lehrer erkennen im Laufe der Zeit recht gut, wo die technischen Talente und Interessen von Kindern und Jugendlichen liegen. Diese gilt es zu fördern und auszubauen mit Unterstützung der Eltern.
„Wenn Schüler*innen sich für Mathematik, Technik oder Informatik interessieren, sollten wir sie ermutigen diesen Weg einzuschlagen – unabhängig vom Geschlecht.“
- Dr. Annette Hamann, CIO, Beiersdorf
4. Flexibilität für alle Beteiligten, um Arbeit und Familie vereinbar zu machen ⏰
Wie zeitgemäss sind starre Arbeitszeitmodelle mit Anwesenheitspflicht? Wieso kann eine Führungsposition nicht auch in Teilzeit besetzt werden? Und was kann der Gesetzgeber tun, damit sich für Unternehmen Arbeitsprozesse agiler gestalten lassen?
„Flexibilität ist aus meiner Sicht eines der grössten Handlungsfelder. Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, in denen sich alle entfalten können. Z.B. Führungsarbeit kann auch im Teilzeitjob möglich sein. Das bedeutet: im eigenen Unternehmen handeln, Arbeitszeitflexibilisierung, Homeoffice-Lösungen, wertschätzender und lösungsorientierter Umgang miteinander. Führungskräfte müssen individuelle Lösungen für die Situationen der Mitarbeitenden ermöglichen. Aber auch ausserhalb des Unternehmens ist Flexibilisierung nötig. Unser Arbeitszeitgesetz z.B. war früher sicherlich zielführend, um einen gewissen Schutz vor Ausbeutung zu bieten, heute jedoch völlig überholt. Es muss den Müttern freigestellt sein, ob sie abends arbeiten wollen, um nachmittags Zeit mit den Kindern zu verbringen. Das gilt allerdings nicht nur für Mütter, sondern für alle Mitarbeiter*innen. Warum nicht am Nachmittag eine lange Sporteinheit einlegen und abends weiterarbeiten?“
- Sylvia Resetarits, CEO bei Expleo Group
Immer mehr Unternehmen bieten ihren Mitarbeitenden flexible Arbeitsplatzmodelle an. Es ist nicht mehr zwingend notwendig, dass die Arbeit ausschliesslich vom Büroschreibtisch aus erledigt werden muss. Diese Flexibilität kommt gerade Frauen bzw. Familien zugute, um ihre aktuelle Lebenssituation stressfreier zu meistern.
"Where remote working can solve some of the issues that have traditionally either stopped women from following a career path – long commutes, challenging hours – this could potentially provide us with a significant amount of change in the diversity in the workplace over the next few years. Aside from the other obvious benefits to remote working, this could really open the floor to different roles for women.”
- Lianne Riches, NAV/BC ConsultantNAV/BC Consultant, Brookland Solutions Ltd
Im Bereich Human Recources gibt es den Begriff “Lebensphasenorientierte Personalpolitik”. Je nach Lebenssituation werden den Mitarbeitenden entsprechende Angebote gemacht bezogen auf Arbeitszeiten, Arbeitsorte, Kinderbetreuung, Gesundheit, Weiterbildung etc. Das erhöht die Mitarbeiterzufriedenheit, stärkt die Mitarbeiterbindung und ist ein positives Signal für potentielle Bewerberinnen und Bewerber.
„Aber natürlich müssen, um Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern herzustellen, auch strukturelle Rahmenbedingungen geschaffen werden, die ein Weiterkommen möglich machen. Dazu zählen attraktive Teilzeitmodelle, flexible Arbeitszeiten, hybride Arbeitsmodelle – wir haben in der Corona-Pandemie ja erlebt, dass das funktioniert. Jedes Unternehmen tut gut daran, diesen Schwung mitzunehmen und alle Mitarbeiter:innen (männlich und weiblich) dabei zu unterstützen, die dafür notwendigen Fähigkeiten zu entwickeln und sich durch diese Fähigkeiten z.B. zum hybriden Arbeiten den Traum der Vereinbarkeit zu erfüllen.“
- Prof. Dr. Katja Nettesheim, CEO bei Culcha
5. Fair und gleichwertig zahlen 💸
Das Warum lässt sich oft nicht erschliessen, doch Männer und Frauen erhalten für dieselbe Arbeit noch immer nicht ganz selbstverständlich das gleiche Gehalt.
„Auch in puncto Gehalt bzw. gleiche Bezahlung für den gleichen Job für Männer und Frauen herrscht in vielen Unternehmen noch eine Unkultur. Da ist sicher insgesamt noch einiges an Umdenken notwendig.“
- Christine Wahlmüller-Schiller, AIT Center for Technology Experience Marketing & Communications Lead, Initiatorin WOMENinICT
Der Equal Pay Day erinnert uns jedes Jahr aufs Neue an die ungleiche Bezahlung von Mann und Frau. 1966 erstmals organisiert, gibt es ihn leider immer noch.
“Despite a changing society in which we are seeing less traditional roles in play, research still shows that a larger percentage of women are giving up work, or not pursuing higher level roles, due to family commitments than we see from men. As mentioned previously, this could also be related to the gender pay gap – practicality dictates that the higher wage earner must remain in most cases.”
- Lianne Riches, NAV/BC ConsultantNAV/BC Consultant, Brookland Solutions Ltd
Gleiche Bezahlung für gleiche Leistung ist eine Form der Wertschätzung und des Respekts gegenüber den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Viele Menschen halten es für selbstverständlich, die Praxis in Unternehmen sieht jedoch oft anders aus.
„Gleichstellung beim Thema Gehalt ist etwas, was wir systematisch angehen sollen. Es hat viel weitreichendere Auswirkungen, als der unmittelbare Betrag, der auf dem Konto landet.“
- Ilona Simpson, CIO EMEA bei Netskope
6. Zeigen, dass Frauen gewünscht sind 📣
Firmen, die einen hohen Männeranteil aufweisen, können einerseits durch gezielte Vernetzungsprojekte, den Frauen eine Plattform für Austausch bieten und andererseits die Vorteile von Diversität in die Teams tragen.
„Unternehmen können interne Netzwerke zum Austausch schaffen, die dafür sorgen, dass sich – vor allem junge – Frauen wohl fühlen und ein motivierendes Umfeld sicherstellen. In männerdominierten Unternehmen hilft es, das Bewusstsein zu schaffen, welche Bereicherung ein diverses Arbeitsumfeld bietet.“
- Daniela Graussam, Head of Corporate Application Management bei Soravia
Ein professionelles Recruiting leistet einen wesentlichen Beitrag bei der Einstellung von Frauen. Allein die Sprache und Wortwahl in den Inseraten sind ausschlaggebend dafür, wer sich letztendlich bewirbt. Können potentielle Bewerberinnen herauslesen, dass sie willkommen sind und auch Karrierechancen (trotz eventueller späterer Familienplanung) bestehen, dann sind sie offener für eine Mitarbeit.
„Bei den Unternehmen fällt mir auf, dass sie vielfach Job-Inserate schalten, die Frauen einfach gar nicht ansprechen. Bewerberinnen werden zwar gern aufgenommen, landen aber intern (oft auch durch Baby-Pausen und Teilzeit-Tätigkeiten danach) entweder in der Akzeptanz eher im Hinterfeld oder Karriere-mässig am Abstellgleis.“
- Christine Wahlmüller-Schiller AIT Center for Technology Experience Marketing & Communications Lead, Initiatorin WOMENinICT
Viele Frauen wollen nicht wegen einer Quote den Zuschlag für eine Stelle bekommen, sondern aufgrund ihrer Fähigkeiten und Talente. Unternehmen, die diese erkennen und nutzen, können viele Geschichten erzählen und Frauen damit sichtbarer machen.
„Wir brauchen noch mehr Sichtbarkeit für Frauen und ihre Stärken – um mehr Frauen zu motivieren, sich für die IT zu begeistern oder auch, damit mehr Frauen Führungspositionen ergreifen, wenn sich die Chance bietet. Wir sollten uns aber vor Dogmen hüten. Die Einführung der Frauenquote zum Beispiel war sicher gut gemeint; meiner Meinung nach hat sie uns Frauen aber nicht zwangsläufig zu mehr Ansehen verholfen.“
- Melanie Fichtner, Leitung Operations IT bei BayWa IT