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Technologie braucht Haltung – KI, Verantwortung und Demokratie

Wenn Isabella Mader über künstliche Intelligenz, Ethik und Leadership spricht, spürt man sofort: Hier denkt jemand in Zusammenhängen. Die CEO von Excellence Research zählt zu den wichtigsten Stimmen im DACH-Raum, wenn es darum geht, Technologie mit gesellschaftlicher Verantwortung zu verbinden.

Gemeinsam mit der Hochschulprofessorin Martina Gaisch veröffentlichte sie das Buch AI Ethics & Human Factors in AI – kein weiteres Warnsignal, sondern ein konkreter Handlungsrahmen. „Ein Plädoyer für verantwortungsvolle KI-Nutzung im Dienste von Gesellschaft und Wirtschaft“, wie sie es selbst formuliert.

Führung braucht Haltung

Im Gespräch wird schnell klar: Die Technik ist nur ein Teil des Puzzles. Ebenso entscheidend sind ethischer Kompass, strategisches Denken und ein wacher Blick auf den Menschen in der digitalen Welt.

„Bei KI reicht es nicht, sich alle paar Wochen oder sporadisch mit dem Thema auseinanderzusetzen“, so Mader.

Sie plädiert für tägliche Auseinandersetzung – durch vertrauenswürdige Quellen, Debatten und den Austausch mit Fachleuten.

Dabei warnt sie vor blindem Aktionismus: „Irgendein Projekt mit KI verschlingt nur viel Zeit, bringt aber meist wenig.“ Reale Mehrwerte entstehen dort, wo Technologie auf wiederkehrende Herausforderungen trifft – nicht beim Versuch, jeden Hype mitzunehmen.

Europa zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Europa steht im globalen Technologie-Wettbewerb unter Druck. Der AI Act ist dabei nur ein kleiner Teil des Problems. Mader benennt die eigentlichen Hemmnisse: mangelnde Investitionen, hohe Lohnnebenkosten, geringe Risikobereitschaft. Eine echte europäische Cloud? „Fehlt nach wie vor.“
Venture Capital? „Viel weniger als in den USA. Und Startups können sich das Skalieren in Österreich oft gar nicht leisten.“

Gleichzeitig wächst der Druck durch neue Regulierungen – NIS2, DORA, CSRD, ESG, AI Act. „Regulierungen allein sind noch keine Strategie“, stellt Mader klar. Sie fordert eine konkrete europäische Agenda – jenseits von Ankündigungen, mit mutigen Investitionen und klarem Kurs.

Demokratie braucht aktive Bürger:innen

Digitalisierung verändert nicht nur Märkte – sie verändert auch unser demokratisches Miteinander. „Unsere Demokratie und der soziale Zusammenhalt werden nicht von Technologien gefährdet. Wir selbst sind die Gefahr“, sagt Mader.
Nicht das Smartphone ist das Problem – sondern unsere Disziplinlosigkeit. „Sie generiert die Konzentrationsschwäche und die Abhängigkeit.“

Ein gesunder Staat braucht starke Institutionen. Das zeigen nicht nur Krisen, sondern auch Werke wie Why Nations Fail von Acemoglu und Robinson.

Maders Appell: „Wenn unsere Demokratien gefährdet sind, dann liegt das nicht an den Tools. Es liegt an uns, unsere Institutionen zu bewahren.“

Verantwortung beginnt beim Design

Ethik ist keine nachträgliche Korrektur, sondern eine Frage des Systemdesigns. Bias ist immer mitgedacht – weil Systeme von Menschen gebaut werden. Besonders dramatisch wurde das im niederländischen Kindergeldskandal sichtbar:
Ein Algorithmus stufte Tausende Familien fälschlich als betrügerisch ein – mit gravierenden Folgen. „Für eine erste Welle an Reparationszahlungen liegen die Schätzungen bei über 14 Milliarden Euro“, berichtet Mader.

Was Maschinen können – und was nicht

In Zeiten des Umbruchs wird lebenslanges Lernen zur Notwendigkeit – nicht nur für junge Menschen. „Wir müssen alle mitnehmen – vor allem jene, die bereits im Arbeitsleben stehen.“ Arbeitgeber sind gefragt, in ihr bestehendes Team zu investieren.
„Es gibt keine anderen.“

Doch es geht nicht um Ersetzen, sondern ums kluge Delegieren. „Idealerweise überlassen wir Maschinen das, was sie besser können – Massenbearbeitung – und befreien Menschen für das, was sie besser können.“

Das gesamte Interview mit Isabella Mader findest Du hier.